Nach Totalschaden auf der Olympiaspur

15. 02. 2020

Weltcup-Finale in Dordrecht, ein wahrer Hotspot der Short Track Szene, denn nirgendwo wird „die Formel 1 auf dem Eis“ spektakulärer zelebriert. Und Leon Kaufmann-Ludwig mittendrin. Wenn das nicht schon eine Headline wert ist. Das Comeback des Münchners, zwei Jahre Knie-malträtiert, erlebt ihren vorläufigen Höhepunkt. Und das mit 23.

Aber der Reihe nach. Schon mit 18 stand Leon im Weltcup-Aufgebot der DESG, ein großes Talent nickten die Trainer. Er zog ins deutsche ST-Eldorado Dresden, wo mittlerweile alle trainieren und leben. Bis zwei Kreuzbandrisse, vier Operationen, muskuläre Probleme, Hüfte und Rücken in Mitleidenschaft gezogen, die Karriere zu beenden schienen. „Die Ärzte sprachen von einem Totalschaden“, blickt der Sprinter zurück. Er war schon froh, danach einigermaßen gehen zu können. Einen neuerlichen Tanz mit den Kufen hielten die Mediziner „für unwahrscheinlich“. Er selbst nicht. „Es gab keinen Moment, an dem ich sagte: Das schaffst Du nicht.“ Also ging es diszipliniert in die professionelle Reha.

Seit Mai 2019 steht Leon - nach insgesamt vier Jahren Verletzungspause - wieder auf dem Eis, spürte nach den ersten harten Belastungen jedoch die Schmerzen zurückkommen, kämpfte sich „mit Zeiten, die ich nicht für möglich hielt“ ins Weltcup-Team zurück. Keineswegs mit Hurra, sondern zusammengekniffenen Lippen. „Meine Erwartungshaltung war zu hoch, einige Ziele zu unrealistisch.“ Dennoch: beim Heim-Weltcup zuletzt in Dresden puschte er sich über 1000 m ins Viertelfinale mit neuer Bestzeit (1:25,134 Minuten). Und jetzt mischt er beim Finale furioso nahe Rotterdam mit.

„Natürlich gab es Zeiten, als mir die Geduld ausging“, dann half Mentaltraining die nächste Stufe zu nehmen. Positiv auch, dass die Bundeswehr ihm ausreichend Schonfrist einräumte, bis er die Norm für den Verbleib wieder erfüllte. Aber Tatsache bleibt auch, „dass ich noch ein ganz schönes Stück weg (Anm.: von der Weltklasse) bin und der Weg dorthin weit ist.“ Aber das – große – Ziel gibt Kaufmann-Ludwig weitere Motivation. „Alles ist darauf ausgelegt, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.“ Von Dordrecht via Dresden nach Peking. So lautet der Plan.

Vorher setzt er sich „Zwischenziele“, merkt aber gleichzeitig, wie die Zeit verdammt eng wird. Denn: „Maximale Belastungen gehen nach wie vor nicht.“ Werden aber notwendig sein, um die Kurve bis China 2022 zu kriegen. Im Frühsommer weilte er zu Trainingszwecken auf eigene Kosten in Salt Lake City. Aktuell versucht er als Aktivensprecher für bestmögliche Bedingungen zu plädieren und den Informationsfluss von Verbandsebene zu den Sportlern zu intensivieren. „Irgendjemand muss sich ja darum kümmern“, so der Student des Wirtschaftsingenieurswesen. Mit Sportdirektor Matthias Kulik erörtert er die finanzielle Verbandslage – die die Leistungssportler aber nur am Rande betrifft.

Denn, dafür kämpft Leon Kaufmann-Ludwig: Short Track hat hierzulande weiterhin Zukunft. Aber man muss stets realistisch bleiben, was er umgehend auf seine Person münzt. „Wenn ich merken würde, dass die Reise zu Olympia den Körper zu heftig ans Limit bringt, wäre ich in diesem Fall auch ehrlich genug zu mir, um dann die Reißleine zu ziehen.“ Das möchte er stets exklusiv entscheiden und „mir nicht von den Ärzten den Weg vorgeben lassen.“ Aber erstmals beendet er die ST-Saison 2019/2020 im Nationalkader und nicht als Kiebitz an Krücken.      

 

Bild zur Meldung: Leon zurück in der Spur. Foto: Leon Kaufmann-Ludwig privat